Haushaltsrede von Fraktionschef Stephan Müller

Werte Bayreutherinnen und Bayreuther, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Kolleginnen und Kollegen in Stadtrat und Verwaltung,

gestatten Sie mir, dass ich meine Haushaltsrede nicht sofort mit einigen Punkten zum vorgelegten und beratenen Haushalt 2022 beginne, sondern auf ein Ereignis im Vorfeld der Haushaltsberatungen noch einmal hinweise.

Wir alle haben darüber am Samstag 5. Februar im Kurier lesen dürfen. Die Überschrift des Artikels: Die „Regierungsmehrheit“ steht, Unterzeile: „Kungelei oder ganz normal? Vor Haushaltsberatungen treffen sich vier Fraktionen mit OB – Der Rest übt Kritik.“

Der Fraktionsvorsitzende der CSU wird dort zitiert mit: „Natürlich haben wir uns die Mehrheit organisiert.“ Weiter heißt es im Kurier: „Natürlich habe man sich wegen der Haushaltssitzung getroffen. Jede Fraktion haben die Aufgabe ihre Ziele zu harmonisieren.“ Mit einem wörtlichen Zitat geht es weiter: „Deshalb hielt ich es für sinnvoll, sich abzustimmen.“ Der Oberbürgermeister hingegen betont: „Im Prinzip war es ein privates Treffen.“

Was mag denn nun die richtige Lesart sein? Hat man den Haushalt besprochen und sich bei diesem Treffen eine Mehrheit organisiert, dann dürfte der Oberbürgermeister gegen seine Neutralitätspflicht verstoßen haben. Mal ganz davon abgesehen, dass Kungelrunden in der Gemeindeordnung nicht vorgesehen sind.

Was im Nachgang zu diesem Bericht zusätzlich verstört, ist die Reaktion des Oberbürgermeisters. Er wirft dem Verfasser des Artikels vor, dass er etwas „suggeriere“, dass er durch Kommentare „Stimmung“ mache, dass er sich „kaum von tendenziösen Leserbriefen“ unterscheide. Das Schreiben ging nicht lediglich an den Verfasser des Artikels, sondern an alle Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat sowie an Chefredaktion, Geschäftsleitung bzw. Verlagsleitung.

Am Ende seines Schreibens formuliert er noch eine Art Ankündigung, dass er womöglich diesem Journalisten für telefonische Anfragen nicht mehr zur Verfügung stehe. Eine Ankündigung, die – wird sie umgesetzt – auf den journalistischen Wettbewerb und die Gleichbehandlung erhebliche Auswirkung hat. Wörtlich heißt es: „Ob es künftig noch Telefonate geben oder jede Frage nur noch schriftlich beantwortet werden kann, behalte ich mir vor.“

Das Schreiben des Oberbürgermeisters ist nach meiner Auffassung der unsägliche Versuch, unabhängige Berichterstattung zu behindern. Geschrieben und kommentiert werden soll künftig offenbar nur noch was genehm ist. Ich halte dies für keinen hinnehmbaren Zustand. Es ist ebenso wenig hinnehmbar wie die Tatsache, dass Haushaltsberatungen im Hinterzimmer stattfinden und der Oberbürgermeister seine Neutralitätspflicht verletzt und an Kungelrunden teilnimmt.

Was den heute zu verabschiedenden Haushalt angeht, wird die Fraktion der Bayreuther Gemeinschaft diesem vorgelegten und am 7. Februar beratenen Haushalt nicht zustimmen.

Zu den Gründen: Unserer Auffassung nach enthält dieser Haushalt keine wirkliche Reaktion auf die Äußerungen des Finanzreferenten zur finanziellen Entwicklung der Stadt.

Zur Erinnerung: Der Finanzreferent hat darauf hingewiesen, dass ohne Kredite bei den vielen geplanten Ausgaben Zahlungsunfähigkeit drohe.

Darauf hat er uns im Stadtrat und in einem langen Artikel im Kurier vom 9. Februar hingewiesen. Wir sehen den vorgelegten Haushalt als nicht generationengerecht und er enthält zudem kein wesentliches Bemühen um eine der entscheidenden Zukunftsfragen.

Ich meine die Frage wie wir schnell und bezahlbar einen Weg finden, um das Thema Klimaschutz wirklich voranzutreiben. In einigen Wochen wird die Verwaltung Vorschläge für ein Klimaschutzkonzept vorlegen. Für die Umsetzung eines solchen Konzeptes werden finanzielle Mittel notwendig sein. Damit ist klar, dass ein solches Klimaschutzkonzept frühestens im 2. Halbjahr 2023 umgesetzt werden kann, da im Moment für ein Klimaschutzkonzept keine Haushaltsmittel vorgesehen sind.

Es konnten auch keine angemeldet werden, weil die Vorschläge ja erst nach dieser Haushaltsverabschiedung auf den Tisch kommen. So handelt man, wenn man den Klimaschutz verzögern will. Es wird erst dann über Wege und Kosten zu mehr Klimaschutz diskutiert, wenn der Haushalt verabschiedet worden ist. Diese Verzögerung bei einem der wichtigsten Zukunftsthemen gehört für uns zu den wesentlichen Gründen diesen Haushalt abzulehnen. Die uns nachfolgenden Generationen haben Anspruch auf eine intakte Umwelt.

Ein weiterer wesentlicher Grund ist die „Endlosgeschichte“ Regionales Innovations- und Gründerzentrum „RIZ“. Die Behandlung dieses Themas ist mehr als nur stiefmütterlich. Waren wir noch vor etwas mehr als zwei Jahren so weit, dass ein markantes Gebäude am Eingangsbereich zum Universitätsgelände entstehen soll, wissen wir heute: Markant wird da nix, sichtbar am Eingangsbereich zur Universität wird da auch nichts.

Wie das Thema RIZ seitens des Oberbürgermeisters und der Verwaltung behandelt wird, zeigt auch eine Anfrage der BG vom Dezember des Jahres 2020. Wir wollten vor der Jahreswende 2020/2021 unter anderem wissen: „Inwieweit gibt es bereits Festlegungen für das Betreiberkonzept des städtischen Teils des Regionalen Gründer- und Innovationszentrums. Worin liegen die Vorteile, wenn es eine städtische Dienststelle wäre, worin liegen die Vorteile, wenn es eine eigenständige GmbH wäre, worin liegen die Vorteile, wenn es als Eigenbetrieb der Stadt Bayreuth geführt werden würde?“

Die Antwort auf unsere Anfrage vom Dezember 2020 lautete: „Nein, es gibt noch keine Festlegungen. Die Fragen des rechtlichen Rahmens (Dienststelle, GmbH, Eigenbetrieb) wird im zuständigen Stadtratsgremium im neuen Jahr behandelt.“ Das damals neue Jahr 2021 ist inzwischen Vergangenheit und jetzt Ende Februar 2022 ist noch immer unklar, ob das RIZ einmal eine städtische Dienststelle, eine GmbH oder ein Eigenbetrieb werden soll. Nichts Genaues weiß man nicht. Bis heute ist nicht geprüft, welche Art der Konstruktion die meisten Vorteile auf sich vereinigt und welcher Art der Konstruktion Gewähr bietet, nicht gegen EU-Recht zu verstoßen.

Übrigens geht es nicht nur uns so, dass unsere Fragen unbeantwortet bleiben. Als der Landkreis, der sich ja möglichst an den laufenden Kosten beteiligen soll, in einer Sitzung hierzu einige Fragen hatte, wurde das auch nicht beantwortet. Ich erinnere mich noch gut an diese Sitzung Ende November vergangenen Jahres. Der Landrat, die Kreisräte, der Oberbürgermeister und wir Stadträte saßen im Regionalausschuss im Sitzungssaal des Landratsamtes zusammen. Natürlich wurde auch das Gründerzentrum thematisiert, an dem sich der Landkreis beteiligen soll.

Einer der Kreisräte fragt den Oberbürgermeister in dieser Sitzung, um welchen Betrag es sich eigentlich handelt, den der Kreis dazugeben soll – schließlich müsse man ja wenige Wochen vor den Haushaltsberatungen wissen, über welche Summe man in den Gremien gegebenenfalls diskutieren müsse. Die Antwort war knapp, um nicht zu sagen dürftig: Das könne man noch nicht sagen. Die erstaunten Gesichter der Kreisräte habe ich noch heute in Erinnerung.

Jetzt sind im Haushalt erhebliche Planungsmittel eingestellt, doch niemand scheint zu wissen, was eigentlich geplant werden soll und wie hoch die Nachfolgekosten tatsächlich sein werden.

Ein weiterer Grund, warum wir diesem Haushalt unsere Zustimmung versagen, sind Ausgaben wie jene für das Barock-Festival sowie die erheblichen Aufwendungen für eine Aufführung der „Gluck-Festspiele“ im Opernhaus. Die Höhe der Ausgaben – wir reden hier in der Summe von rund 600 000 Euro – sind nicht zu rechtfertigen. Nicht beantwortet ist, wie es mit der Anschlussfinanzierung nach den jetzt auslaufenden drei Jahren weitergeht. Der Kulturreferent hat hier bis heute nicht geliefert.

Für uns passen diese Ausgaben nicht in die Zeit. Wir sehen die Notwendigkeit von Ausgaben im Bereich Klima, Schulen und Kindergärten sowie im Bereich Soziales. Ausgaben für „Bayreuth Baroque“ und eine Aufführung der „Gluck-Festspiele“ tragen nicht zum sozialen Frieden in unserer Stadt bei und sind schon gar keine Ausgaben, die für sich beanspruchen können ein Schritt in Richtung Generationengerechtigkeit zu sein.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang erneut an den Antrag der BG, Menschen mit geringem Einkommen wegen der bedrohlichen Steigerungen der Energiepreise finanziell unter die Arme zu greifen. Der Antrag wurde abgelehnt mit dem Hinweis, dies möge der Bund regeln, es sei keine kommunale Aufgabe.

Auch in anderen Bereichen dieses Haushalts ist nicht erkennbar, dass um soziale Schwerpunkte oder um Generationengerechtigkeit gerungen wird. Die Ausgaben – siehe Personalkosten- steigen. Gleichzeitig wird versucht zu erklären, dass die geringeren Gewerbesteuereinnahmen „schuld“ daran seien, wenn sich die Stadt in Zukunft wieder mehr verschulden müsse.

Wer sich jedoch die Mühe macht, die gesamte Einnahmesituation der vergangenen Jahre – also nicht allein die Gewerbesteuer, sondern Grundsteuer, Einkommenssteuer, Gewerbesteuer und Grunderwerbssteuer – zu betrachten, der kommt – mit der Ausnahme des Rekordjahres 2017 – zu einem interessanten Ergebnis. Die Summe des Niveaus der Einnahmen von Grundsteuer, Einkommenssteuer, Gewerbesteuer und Grunderwerbssteuer wird im Ansatz für 2022 mit 120,6 Millionen Euro angegeben.

Im Jahr 2014 lag die Summe dieser Steuern bei 119 Millionen Euro, im Jahr 2019 bei 120,9 Millionen Euro. Ganz unbekannt ist also die Größenordnung der Gesamtsumme von 120,6 Millionen im Jahr 2022 nicht. Es ist daher festzuhalten: Nicht die Einnahmen sind das allein ursächliche Problem, sondern einen erheblichen Beitrag leistet der fehlende Wille zum Haushalten.

Und so ist dieser Haushalt möglicherweise ein Schritt, der mittelfristig dazu führen kann, dass künftig nicht mehr der Stadtrat, sondern die Regierung von Oberfranken die Schwerpunkte unserer Ausgaben definiert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit diesem Haushalt ist ein Investitionsvolumen von rund 80 Millionen Euro verbunden. In meinen Vorbemerkungen zur Haushaltsberatung habe ich darauf hingewiesen, dass wir alle wissen, dass dieses Investitionsvolumen nicht umgesetzt werden wird.

Ich habe weiterhin gesagt: Ein Umstand, den die Fraktionschefs von CSU, SPD und FDP/DU noch vor drei Jahren als Skandal bezeichnet hätten. Heute hingegen wird darauf hingewiesen, dass man doch schon mehr ausgegeben habe als früher, was im Übrigen – dieser Hinweis sei erlaubt – keine allzu große Kunst ist, weil insbesondere bei der Stadthalle, der Graserschule und der Albert-Schweitzer-Schule in diesem Jahr erhebliche Rechnungen fällig geworden sind.

Alles Projekte, die nicht auf das Engagement des Oberbürgermeisters zurückgehen. Dem ist auch am heutigen Tage nichts hinzuzufügen.

Hinweisen will ich zudem noch einmal ausdrücklich auf den ungeheuerlichen Vorgang, dass Bestellungen der Schulen, die 2019 eingereicht wurden und mit dem Haushalt 2020 genehmigt worden sind, bis heute nicht in den Schulen angekommen sind. Sie sollen – so wurde uns inzwischen mitgeteilt – frühestens Ende 2022 – eintreffen. Da sind vom Zeitpunkt der Bestellung drei Jahre rum.

Wir haben einen Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung, wir haben einen 2. Bürgermeister, der sich um Digitales kümmern soll, wir haben einen 3. Bürgermeister, der sich um Schulen kümmern soll, wir haben eine verantwortliche Schulreferentin und niemand – wirklich niemand – scheint sich wirklich um die Bestellungen der Schulen, die noch vor Corona im Jahr 2019 in den Haushalt aufgenommen und 2020 genehmigt wurden, zu kümmern.

Das ist in unseren Augen ungeheuerlich, es ist – auch wenn der Oberbürgermeister versucht dies mit flapsigen Bemerkungen zu verharmlosen – es ist und bleibt ein Skandal. Fahren wir mit diesem Tempo bei den Bestellungen unserer Schulen fort, kommt all das, was jetzt im Haushalt als Bestellung steht, vielleicht 2026 vielleicht auch erst 2027 in den Schulen an. Da hat die Stadt bereits eine neue Oberbürgermeisterin oder einen Oberbürgermeister. Vielleicht ist ja genau dies die derzeit herrschende Devise: Nach mir die Sintflut.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich will es bei diesen Ausführungen zum Haushalt 2022 belassen. Ich habe mich heute im Wesentlichen auf einige Gründe zur Ablehnung des Haushaltes beschränkt.

Doch im Laufe dieses Jahres werden wir über viele weitere Themen reden.

Wir werden drüber reden müssen, wie die Stadt in verschiedenen Berufsfeldern wieder ein noch attraktiverer Arbeitgeber werden kann.

Wir werden darüber reden müssen, wann wirklich neue und schnelle Schritte in Richtung Klimaschutz umgesetzt werden.

Wir werden darüber reden müssen, ob wir es wirklich zulassen können, dass bei der Förderung unserer Sportvereine bei vielen Vereinen das Gefühl vorherrscht gegenüber einem Verein benachteiligt zu werden.

Wir werden darüber reden müssen, dass für das Richard-Wagner-Gymnasium – nachdem dessen Sanierung geschoben worden ist – dennoch Wege gefunden werden, um den Betrieb der Schule in Gegenwart und Zukunft aufrecht zu erhalten und zwar ohne, dass die Schülerinnen und Schüler Lernnachteile haben. Das gilt auch für die anderen Schulen wie das WWG, die Wirtschaftsschule oder die Alexander-Humboldt-Realschule.

Wir werden darüber reden müssen, wie die Anwohner im Bereich Hans-Walter Wild-Stadion beim Thema Flutlicht eingebunden werden.

Wir werden darüber reden müssen, wie wir mit Straßennamen, bei denen erheblicher Diskussionsbedarf besteht, umgehen wollen.

Wir werden darüber reden müssen, ob unsere Kindergärten und Schulen tatsächlich auf Spenden warten müssen, um technisch auf den neuesten Stand zu kommen.

Wir werden darüber reden müssen, wie Bayreuth sich bei der Weiterentwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten aufstellen soll. Wir werden über den Eichelberg ebenso reden wie über Oberobsang.

Wir werden darüber reden müssen, ob es wirklich eine kluge Idee ist, mit dem Gedanken einer Gewerbesteuererhöhung zu spielen. Die beste Wirtschaftsförderung ist ein attraktiver Steuersatz und nicht ein Geraune über eine Erhöhung.

Wir werden darüber reden müssen, ob es wirklich einen Turbo-Kreisel an der Universitätsstraße braucht.

Wir werden darüber reden müssen, wie wir eine Ausweitung von Tempo 30 Zonen vornehmen.

Über all dies und andere Punkte werden wir in diesem Jahr reden und gegebenenfalls entscheiden.

Eine deutliche Absage erteilen wir den von einigen so geschätzten Kungelrunden im Hinterzimmerformat wie es sie im Vorfeld der Haushaltsberatungen offenbar gegeben hat. Die Diskussion und die Entscheidung haben im Grundsatz öffentlich im Stadtrat und seinen Gremien stattzufinden.

Wir sind zu einer offenen und von Vertrauen geprägten Zusammenarbeit bereit.

Es wäre für die Menschen unserer Stadt wie auch für die Diskussionen hier im Stadtrat allerdings hilfreich wüssten wir die Positionen des Oberbürgermeisters zu all den zu besprechenden Themen. Es wäre ebenso hilfreich, wenn Engagement, Ambitionen, Einsatz wie Zielvorstellungen – kurz eine eigene Handschrift – erkennbar wären. Lamentieren über diese oder jene Entwicklung jedenfalls ist kein Ersatz für eine in die Zukunft gerichtete Stadtpolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch wenn wir diesem Haushalt nicht zustimmen, sagen wir Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an diesem Haushalt mit ihrem Engagement mitgewirkt haben. Dieser Dank gilt allen Dienststellen, stellvertretend seien das Finanzreferat, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kämmerei sowie das gesamte Baureferat erwähnt. Alle angefragten Dienststellen haben unsere Fragen beantwortet und uns unterstützt.

Hierfür sagen wir nochmals ausdrücklich Danke.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Stephan Müller
Fraktionsvorsitzender